Freude an der Mundart wecken und verstärken
Bayernbund kämpft weiterhin
erfolgreich für den Erhalt der Mundart
Eine flammende Rede für den Erhalt der bairischen Mundarten und gegen die Verluderung des südlichen Hochdeutschen hielt der Mundartexperte Professor Dr. Reinhard Wittmann unlängst im Gymnasium in Ising. Der informative Vortrag fand im Rahmen des Bayernbund-Projekts „Freude an der Mundart wecken und verstärken“ statt, an dem sich aktuell 16 Kindergärten, Grundschulen, Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien aus den Landkreisen Rosenheim und Traunstein beteiligen. Zuvor gab es eine Plenarveranstaltung der Lenkungsgruppe und aller beteiligten Schulen.
Schon vor mehr als hundert Jahren wurde dem Dialekt ein baldiges Ende prophezeit, er hielt wider Erwarten durch, doch im 21. Jahrhundert könnte er nun doch in wenigen Generationen aussterben.
Der emeritierte Literaturprofessor Dr. Wittmann legte den Finger in die Wunden und sprach von einer „Entmündigung des angestammten, heimatlichen Sprechens in Süddeutschland und gerade in Bayern“. Mit Blick auf die drei bairischen Dialekte warnte er: „Wir haben viel zu verlieren, wenn wir die Mundart aufgeben“, denn sie sei „Herzstück unserer Identität und ein wichtiger Bestandteil unserer Heimat“. Schon Goethe habe gesagt, “jede Provinz liebt ihren Dialekt, denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft“.
Die bairische Sprache sieht Wittmann als „eigenständige und kraftvolle Variante des Deutschen“, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen, und auf die man stolz sein müsse, allen Vorurteilen und negativen Klischees aus nördlicheren Gefilden zum Trotz. Zudem gelte es endlich mit der Legende aufzuräumen, dass dialektsprechende Kinder und Jugendliche größere Probleme in der Schule hätten und nur ein gepflegtes Hochdeutsch modern sei und einen höheren Sozialstatus garantiere. Gerade Neuankömmlinge müssten sich bemühen, die bairische Sprache zu erlernen, anstatt von den alteingesessenen Bayern zu fordern, das norddeutsche Idiom zu sprechen, forderte Wittmann. Während es auf dem Land noch Mundart-Rückzugsgebiete gebe, habe sich beispielsweise in München als Umgangssprache längst ein „ganz grauenhafter diffuser Brei“ etabliert. Unerklärlich sei es auch, warum man beim Bäcker keine Semmeln, sondern nur noch Brötchen kaufen könne oder warum in den Medien nur noch von „Jungs“ und nicht mehr von „Buben“ die Rede sei, fragte der langjährige BR-Mitarbeiter in die Runde und erntete allenthalben zustimmendes Kopfnicken. Auch beim „Hallo“, „Tschüss“, „nich“, “nee“ und „nöö“ stoße es ihm übel auf, „haben wir Bayern es wirklich nötig, freiwillig so zu reden, uns so zu unterwerfen?“
Die Urlauber würden von ihren Gastgebern viel lieber ein „Griasdi“ und „Pfiadi“ vernehmen, ist Wittmann überzeugt. Die Schweizer oder auch die Österreicher stünden da viel selbstbewusster zu ihrem Dialekt, betonte der Referent und nannte exemplarisch den früheren Skistar und jetzigen ORF-Moderator („Wer wird Millionär?“) Armin Assinger, der auch vor laufender Kamera so rede, wie ihm der Schnabel gewachsen ist.
Er erinnere sich daran, dass die bayerischen Tatort-Kommissare Miroslav Nemec („Ivo Batic“) und Udo Wachtveitl („Franz Leitmayr“) in den ersten Folgen noch ein wenig bairisch sprechen durften, dies sei aber längst Geschichte. Die Dissonanz zwischen der Sprache des Bayerischen Rundfunks und seines Publikums bezeichnete Wittmann als „riskante Medienpolitik“. Wenn zwischen Flensburg und Garmisch nur mehr derselbe Einheitsbrei aus den Radios ertöne, bedürfe es nämlich keines guten Dutzends von Rundfunkanstalten mehr.
Abschließend lobte Wittmann das Mundart-Projekt des Bayernbundes in den Landkreisen Traunstein und Rosenheim und wünschte sich einen noch breiteren öffentlichen Konsens und eine „bayernweite Initiative“. Man hoffe darauf, die regionalen Ansätze und Anregungen auf ganz Bayern übertragen zu können, so der Bayernbund-Landesvorsitzende Adolf Dinglreiter.
„Wir wollen mit unserem ambitionierten Projekt einen kleinen, regional bezogenen Beitrag dazu leisten wollen, die Mundart, die so viel Glanz und Reichtum berge, zu schützen und auch eine Signalwirkung aussenden“, ließ Projektleiter Dr. Helmut Wittmann, ehemals Ministerialdirigent im Kultusministerium, eingangs verlauten. Seit dem Beginn des Projekts 2010 seien immer mehr Schulen und Kindergärten hinzugestoßen und nun gehe man bereits in das finale dritte Kindergarten- und Schuljahr.
Die Leitung des Projekts wird von einer Lenkungsgruppe und den Koordinatoren für die Bildungsbereiche Kindergarten, Grundschulen und weiterführende Schulen wahrgenommen. Diese können dabei auf rund 20 Referenten und Ansprechpartner aus den Bereichen Mundart, Sprache, Literatur, Heimat, Brauchtum, Musik, Heimatgeschichte, Handwerk, Künste, Natur und Umweltschutz zurückgreifen. Zu ihnen gehören nicht nur Professoren, sondern beispielsweise auch der bekannte bayerische Musiker Stefan Dettl von „LaBrassBanda“ und der ehemalige Skistar Markus Wasmeier, der in Schliersee ein Bauernhofmuseum betreibt.
Die Ergebnisse der Kindergärten und Schulen werden zentral gesammelt, archiviert und für den Schlussbericht, eine für Ende 2013 geplante Veröffentlichung des Bayernbundes, aufbereitet. Dieser Abschlussbericht werde dann kostenlos an alle bayerischen Schulen verteilt. „Die Zwischenberichte stimmen bereits sehr ermutigend“, freute sich Projektleiter Wittmann.
Vor dem Vortrag sorgte die Bigband des Gymnasiums unter der Leitung von Frank Schöftenhuber für die passenden bayerischen Klänge.
Um das leibliche Wohl der Gäste kümmerte sich der Bayernbund, der sich ausdrücklich nicht als politische Partei versteht, sondern ein überparteilicher Zusammenschluss landesverbundener und staatsbewusster Bürger in oder aus Bayern ist und das ungeachtet ihrer landsmannschaftlichen Herkunft. Kernaufgabe des Bayernbundes sei „die Förderung der kulturellen Aufgaben, darunter die Pflege der Mundart und die Vermittlung von Geschichte und Kunst“, so der Traunsteiner Kreisvorsitzende Heinz Wallner. Der Veranstaltung wohnten auch Bürgermeister Benno Graf, Schulamtsdirektor Otto Mayer und der oberbayerische Bezirksschützenmeister Eberhard Schuhmann bei. mmü
Foto: Sie freuten sich über eine weitere gelungene Veranstaltung im Rahmen des Bayernbund-Projektes „Freude an der Mundart wecken und verstärken“: (v.l.) Der Archivar der Lenkungsgruppe Norbert Zehrer, der Landesvorsitzende des Bayernbundes Adolf Dinglreiter, der stellvertretende Landesvorsitzende und Rosenheimer Kreisvorsitzende Christian Glas, Gastredner und Mundart-Experte Professor Dr. Reinhard Wittmann, Projektleiter Dr. Helmut Wittmann, der Vorsitzende des Bayernbund-Kreisverbandes Traunstein Heinz Wallner und der stellvertretende Schulleiter des gastgebenden Gymnasiums LSH Schloss Ising Wolfgang Brand.
Bericht und Abschlussfoto: Markus Müller, Traunwalchen
Foto-Impressionen: Landschulheim Schloss Ising; Brand, stellv. Schulleiter