Bayern – Königreich von Napoleons Gnaden

09.06.2015
„Bayerischer Reichsherold“ referierte beim Bayernbund Rosenheim – Der Referent des Abends, Prof. Dr. Dr. Reinhard Heydenreuter, nach eigenen Worten „Bayerischer Adelsherold“, ist in Rosenheim sowohl beim Bayernbund als auch beim Historischen Verein längst kein Unbekannter mehr, hatte er doch bereits im Jahre 2008 bei der Landeausstellung „Adel in Bayern“ im Rosenheimer Lokschuppen den begleitenden Einführungsvortrag unter dem Titel „Die bairische Geschichte ist voller Geschichten“ gehalten.
Heuer sprach der Historiker und Jurist, der viele Jahre in Bayerns Archiven geforscht hat, auf Einladung des Bayernbundes, Kreisverband Rosenheim, und der Hanns-Seidel-Stiftung, im proppenvollen Saal des Gasthofes „Höhensteiger“ über das vor über 200 Jahren von Napoleon „installierte“ Königreich Bayern, dessen heutige Flächenausdehnung auf dem Wiener Kongress 1815 im Großen und Ganzen bestätigt wurde.
Und wieder einmal verstand es der Referent, recht amüsant seinen Zuhörern nachvollziehbar zu erläutern, wie und warum aus dem stets finanzschwachen Kurfürstentum Baiern — welches der Wittelsbacher Herzog und Kurfürst Karl Theodor 1799 mangels eines legitimen Thronfolgers liebend gern an das Haus Habsburg „verschenkt“ hätte —  plötzlich das „Königreich Balern“ entstand, welches erst 1820 seinen heutigen Namen beziehungsweise Schreibweise „Bayern“ erhielt.
Bayern, zwischen den beiden europäischen Großmächten Frankreich und Österreich gelegen, erweckte schon seit längerer Zeit die Begierde seiner beiden expansionsfreudigen Nachbarn und befürchtete deshalb, von einer der beiden Großmächte annektiert zu werden. Als sich Napoleon Bonaparte anschickte, Europas Strukturen und „Fleckerlteppich“ neu zu gestalten und das „Heilige Römische Reich deutscher Nation“ wie ein Kartenhaus in sich zusammenklappte, musste sich Bayern entscheiden. Der schwache Kurfürst Max Joseph aus der unbedeutenden Wittelsbacher Seitenlinie Pfalz-Zweibrücken entschied sich für den stärkeren Partner und ließ sich, nach Ansicht mancher Zeitgenossen, mehr oder weniger „kaufen“. Unter seiner Regentschaft zwischen 1805 und 1813 führte das zu einer sehr engen Anlehnung Bayerns an das napoleonische Frankreich. Referent Heydenreuther macht seinen Zuhörern bewusst, dass das zumindest in den ersten Jahren keinesfalls nachteilig für Bayern war, denn die Aufklärung und die Ideale der Französischen Revolution fassten auch in Bayern Fuß,
Mit dem Reichsdeputationshauptbeschluss wurde die Säkularisation in Bayern eingeleitet, in deren Verlauf die meisten Klöstern und auch zahlreiche, kleinere Residenzen aufgehoben wurden, Das Kirchengut samt umfangreicher Ländereien fielen an den bayerischen Staat, dessen Kassen nun nicht mehr permanent leer waren. Das hatte allerdings auch seinen Preis, denn Bayern musste ständig „Kanonenfutter“ für Napoleons Armeen liefern. Allein Im Russlandfeldzug blieben 30 000 bayerische Soldaten im Felde. Aber dafür ernannte Kaiser Napoleon den bayerisch Kurfürsten zum ersten König Bayerns, der sich nun König Maximilian I. Joseph nannte und mit Tirol und Salzburg bedacht wurde. Eine offizielle Krönung hat allerdings niemals stattgefunden.
Recht ausführlich ging Referent Heydenreuter anschließend auf das Wirken des frankophilen Ministers Montegelas ein, der den modernen, heutigen Staat Bayern formte. Der eingeführte „Code Napoleon“ galt bis 1900. Erst als der Stern Napoleons sank und sich die Gegner, die sogenannte „Heilige Allianz“ zur Völkerschlacht bei Leipzig sammelten, wechselte Bayern 10 Tage vor der Schlacht im Vertrag von Ried schnell die Fronten, betätigte sich als „Trittbrettfahrer“ und machte sich nach der Schlacht „eifrig“ daran, die geschlagenen französischen Truppen zu verfolgen. Dank dieser „Heldentaten“ wurde Bayern zum siegreichen Verbündeten, diesmal allerdings gegen Napoleon. Zwar musste Bayern auf dem Wiener Kongress Tirol und Salzburg an Österreich abtreten, wurde aber durch den Erwerb großer Teile Frankens und Schwabens sowie mit der erneuten Zuweisung der verloren gegangenen Rheinpfalz entschädigt.
Bayerns König Max I. Joseph durfte sogar Napoleons Stiefsohn, der zwischenzeitlich des Königs älteste Tochter geheiratet hatte, zum Herzog von Leuchtenberg ernennen, der dadurch bekannt wurde, dass er in seiner durchaus glücklichen Ehe viele kleine Leuchtensbergs produzierte. Einer dieser Leuchtenberg-Nachfahren heiratete später einmal eine Zarentochter und mutierte dadurch zu einem Mitglied der Romanow-Familie.
Seinen eloquenten Vortrag schloss Prof. Dr. Heydenreuter mit dem nicht ganz ernst zu nehmenden Hinweis, dass Bayern bereits seit über zwei Jahrhunderten ausgezeichnete Migrationserfahrungen habe, denn es habe ohne größere Probleme die weitgehend protestantischen, fränkischen und schwäbischen Gebiete integriert. Wer so spannend bayerische Geschichte „rüberbringen“ kann, provoziert natürlich viele Fragen, deren Beantwortung dem Herrn Professor und „Bayrischen Reichsherold“ offensichtlich großen Spaß bereitete.

Foto und Text: Jürgen Engelhardt
Bearbeitung für Internet: Lorenz Liegl

Nächste Veranstaltung

Weitere Veranstaltungen